DingsDums Dumplings – Füllen und Falten gegen die Verschwendung
DingsDums Dumplings, innovative D(umpl)ings, Berlin, Deutschland
„Ich hatte selbst so einen Lifestyle… um 8:00 Uhr war ich im Office, hatte nur Meetings, keine Zeit zu essen, einfach irgendwas bestellt. Und zuhause hatte ich dann meistens nichts… am Wochenende also viel zu viel eingekauft, was unter der Woche dann wieder weggeworfen wurde. Das war ein Kreislauf, der einfach nicht nachhaltig war – da wollte ich einschreiten.“ Der DingsDums Dumplings-Laden, direkt am Görli in der Wiener Straße, ist klein. Vielleicht kann man ihn gerade deswegen nicht übersehen.
„Ach krass, das kann ich auch machen…“
Bereits von Weitem schreien die knallgelben Stühle nach Aufmerksamkeit und stehen im starken Kontrast zur schwarzen Fassade des Streetfood-Imbiss. Direkt vor dem Eingang parkt der DingsDums Foodtruck – schwarz natürlich. Er verleiht dem Ort die endgültige Street-Food-Atmosphäre. Fast wirkt es so, als sei DingsDums Dumplings schon von Beginn an ein Teil der Kreuzberger Szene. Dabei hat der Laden erst vor einem Jahr Eröffnung gefeiert. Im Laden, an einem schlichten Holztisch, sitzt Anna – und passt perfekt in die Location. Sie ist eine der drei Gründer des innovativen Gastronomie-Konzepts. „Ich muss sagen, dass ich sehr unbewusst gelebt habe. Weil wir einfach in einer Konsumwelt aufgewachsen sind – weil uns beigebracht wurde, dass man viel konsumieren kann und dass das alles gut für die Wirtschaft ist“.
Eigentlich kommt Anna aus dem E–Commerce-Bereich. Der Job gut bezahlt, die Stelle sicher. Mit der Zeit wird jedoch klar: etwas fehlt. Sie erkennt, dass auch sie gesellschaftlichen Fragen nachgehen will, wird von nachhaltigen Websites inspiriert, hinterfragt mehr und mehr – die Suche nach dem Sinn in der Arbeit wird stärker: „Ich hatte schon lange die Idee, etwas gegen die Lebensmittelverschwendung zu unternehmen, weil es mich einfach selbst zuhause gestört hat, dass ich so vieles wegwerfe.“ Mit der Erkenntnis „Ach krass, das kann ich auch machen..“, schlossen sich Anna und Kumpel Mauritz mit ihrer gemeinsamen Vision zusammen.
Das Prinzip ist einfach: Ob Rotkohl, Weißwurst oder Ziegenkäse – hier werden Teigtaschen ausschließlich mit Lebensmitteln aus der Überproduktion oder mit kurz vor dem Mindesthaltbarkeitsdatum stehende Zutaten gefüllt – ein Dings eben. So einfach das Prinzip auch klingt – der Prozess dahin war zäh. „Mit Lebensmitteln, die schnell verarbeitet werden müssen, ist es immer ein bisschen schwierig,“erklärt Anna, „wenn es um die Haltbarkeit von Lebensmittel geht.” Wie verarbeitet man Lebensmittel schnell und lecker, damit sie nicht schlecht werden? Hier kommt die Dritte im Bunde ins Spiel: „Jilianne ist unsere fantastische Köchin, die aus dem Nichts krasse Sachen zaubert.“ Im Experimentieren war für die drei der Moment plötzlich klar: Dumplings sind die perfekte Verpackung für ständig wechselnde Mengen. Lebensmittelüberschüsse neu verpackt, das funktioniert. Die ersten Testanläufe finden in Bayern, in der Küche von Annas Mutter statt. Alle waren begeistert. Die Idee stand.
Dass keiner der drei aus dem Bereich der Gastronomie stammt, macht wahrscheinlich die Besonderheit des Konzepts aus. Aus den Medienbereichen stammend, wird die Idee dementsprechend analysiert: Das Produkt ist likeable, instagramable – das Konzept: einfach zeitnah. Mauritz, Rationalist und faktenbezogen, ergänzt sich perfekt mit Annas Euphorie zur Erarbeitung ihrer Vision. Jilianne – kreativ und emotional – macht das Wesentliche in der Küche aus. „Wir verarbeiten also Lebensmittel, die ungewollt waren. Und es ist dabei egal, wie sie aussehen. Wir basteln daraus ein neues Designobjekt.“ Unterschiedliche Farben, Formen und Faltungen, hauchen der krummen Karotte, die selbst im Biomarkt keine Chance im Verkauf hatte, wieder Leben ein. Eine systematische Herangehensweise an komplexe Problemstellungen – Design Thinking im Foodbereich. Ganz einfach.
Mit dem Verwertungskonzept muss sich die Dings-Küche um Ideenarmut keine Sorgen machen. Premiumlieferanten liefern hochwertige Lebensmittel, die der Fantasie in Jiliannes Küche keine Grenzen setzt: „Damit können wir gut spielen und neue Sachen ausprobieren.“ Es kann durchaus etwas fancy in der Dings-Küche hergehen.
Design Thinking im Foodbereich
Das Besondere, das Prinzip der geretteten Lebensmittel, wird dem Gast aber nicht vor die Nase gehalten. Eigentlich ist das hier nur Nebensache: „Die Leute sollen einfach das Produkt mega gut finden und dann immer wieder kommen.“ Der erhobene Zeigefinger und die Betonung zur Nachhaltigkeit liegt ihnen nicht. „Wir sind alle wenig behaftet in der Nachhaltigkeitszene. Wir wollen mit einem Augenzwinkern sagen: Guck mal, was wir noch Geiles aus euren Sachen gemacht haben.“ Das gesamte Branding von DingsDums Dumplings spiegelt das wider. Das beliebte Grün zur Betonung der Nachhaltigkeit, ist hier fehl am Platz. Es geht um Einfachheit, um Spaß, um Coolness. „Wir wollen, dass wir mit diesem Konzept in der Mitte Gesellschaft ankommen. Dass es etwas Normales ist. Dass klar ist, dass man seine Sachen nicht wegwirft.“
Das Missverhältnis zum Dings
Schnell zeigt sich in den ersten öffentlichen Reaktionen das Missverhältnis zu überschüssigen Lebensmitteln: „Viele Blogs haben geschrieben, dass wir ausschließlich Lebensmittel verwenden, die schon abgelaufen sind – was natürlich eine Fehlinterpretation ist.“ Annas Lieblingskommentar auf der Facebookseite: „Ihr macht aus Müll Geld!“ Sie lacht herzhaft: „Das ist kein Müll, das sind ganz normale Lebensmittel. Und das ist das Krasse, dass man das dazu sagen muss, um es aus den Köpfen zu bekommen.“ Den Gründern ist es daher wichtig, zu kommunizieren, dass es sich um einwandfreie Ware handelt. Ihrem privaten Interesse folgend, haben alle drei natürlich Lebensmittelschulungen absolviert, setzen sich intensiv mit der Haltbarkeit von Lebensmitteln auseinander.
„Wir werden oft gefragt, ob wir containern gehen.“
Gerade das Catering läuft gut. Die handtellergroßen Dumplings präsentieren sich in fröhlichen Farben auf Bambus-Schälchen. Sie lassen sich hervorragend in Portionen einkalkulieren, sind individuell gestaltbar, Überschüsse vermeidbar. Ein Vorteil ist vor allem die Anwendung der Schockgefrierens, wodurch die Dumplings partiell einsetzbar sind. Gerade im Büfett und Catering kann sich DingsDums Dumplings damit direkt der Nachfrage anpassen. Der Rest bleibt einfach eingefroren, Materialschlacht ausgeschlossen.
“Hier wollen alle zusammen etwas erreichen.”
„Uns ist wichtig, dass uns auch große Firmen buchen, weil sie auch wichtige Meinungsmacher sind“, so Anna. Warum also noch ein Restaurant? „Leute sollen hier hinkommen, sollen erleben können. Wir wollen nicht nur mit Bildern beeindrucken. Gerade bei diesem Thema ist uns wichtig, dass hier nicht dieser Flair herrscht: wir gehen containern“, schaltet sich Mauritz aus der Küche ein. „Das ist auch der Grund, warum wir eigentlich immer zu dritt hier sind. Weil wir kritische Fragen beantworten möchten.“ Ihre Überzeugung steht Anna dabei ins Gesicht geschrieben.
Der Tech-Bereich, aus dem die Gründer stammten, ist hart. „(…) da ist jeder gegen jeden. Und das ist genau das, was im Food-Bereich so geil ist: Hier wollen alle zusammen etwas erreichen“, strahlt Anna. Wirtschaftlich zwar auf Catering und Online-Vertrieb fokussiert, will DingsDums Dumplings also vor allem eins: Eine Plattform für weitere Startups bieten, Teil einer Bewegung sein. Mit ihrer Medienpräsenz möchten sie auch andere Produkte, weitere Ideen mit Mehrwert, Charity und Nachhaltigkeit unterstützen. Sie strahlt: „Jeder hat ein Wissen, aber wenn man das auch teilt – dann kommt da vielleicht noch etwas ganz anderes bei heraus.“ Es fällt schwer, sich dabei nicht von ihrer Begeisterung anstecken zu lassen, während sie über Produkte spricht, die dadurch im Laden zu finden sind: Ob Kissen aus recycelten PET-Flasche, Solar-Leuchten aus Afrika oder Mitarbeiterkleidung aus aufbereitetem Plastik – hier hat alles eine Geschichte, alles einen Mehrwert.
„Jeder hat ein Wissen, aber wenn man das auch teilt – dann kommt da vielleicht noch etwas ganz anderes bei heraus.“”
Der Nachhaltigskeitsgedanke endet bei den jungen Gründern nicht beim Essen, er beginnt erst da: Ob ökologische Sticker oder Hocker aus Getränkekisten – ständig wird über eine bessere Lösung nachgedacht. „Nicht jeder kann einfach so perfekt nachhaltig sein. Man muss sich mit gewissen Themen auseinandersetzen und gucken – kommt es wirtschaftlich, ökologisch für mich in Frage. Und so kämpft man sich damit Stück für Stück weiter.“, beginnt Mauritz zu erzählen und es wird klar: Grün hinter den Ohren sind die drei im Bereich der Gastronomie nicht mehr: „Es sind noch viele Kunden nicht bereit, für ökologischer Verpacktes 10 Euro mehr zu bezahlen. Da ist der Markt ziemlich im Umschwung und da sind wir dabei. Wir müssen gucken, wo sich die Möglichkeiten noch weiter öffnen.“ Momentan testen die Unternehmer intensiv die optimale ökologische Lösung im Verpackungsbereich aus – und sorgen dadurch beim Anbieter für eine neue Nachfrage. Der Prozess, überhaupt ein Entgegenkommen vom Anbieters zu erhalten, ist mühsam. Zeitaufwendig. Insbesondere, wenn es sich um festgefahrene Strukturen im Markt handelt. „Letztendlich ist es der Konsument, der bestimmt. Dementsprechend sind wir genauso froh, wenn jemand zu uns kommt und sagt, ich hab meine eigene Verpackung mitgebracht oder er unsere Verpackung super findet. Dieses Feedback der Kunden gibt uns die Kraft, am nächsten Tag wieder da weiterzumachen, wo es schwierig ist.“
Ab und an kommt dann doch die Frage auf: Warum Fleisch? Weil es sonst weggeworfen wird. Es ist da. Im Überschuss. Vegane und vegetarische Optionen umfasst das Dumpling-Angebot auch – und soll ausgeweitet werden. Wieder ohne erhobenen Zeigefinger. Es gehört einfach zum Menü dazu. Leute zu sensibilisieren, die Fleisch essen, das ist es, was sie interessiert. „Bewusstsein schärft man nicht, wenn man immer wieder die gleichen Freunde einlädt.“
Was man sich als nächstes vorstellen kann? Das Standbein ist mit dem Laden gegeben. Das Catering eignet sich, um die Message zu multiplizieren. Ihren Vertrieb möchten sie weiter ausbauen. Online – oder in anderen Modellen. Was die Zukunft anbelangt, sprudeln Anna, Mauritz und Julianne vor Ideen. Es gibt viele Möglichkeiten, um weitere Menschen mit Ihrem Konzept zu erreichen. Die Rückmeldung, die Auszeichnungen und Preise von der Öffentlichkeit, machen dem Team klar, dass sie die richtigen Entscheidungen treffen. Hat einer der drei Freunde mal mal eine Tiefphase, „kommt einer von uns mit einer weiteren Idee und sagt: das könnten wir doch mal ausprobieren! Und dann funktioniert das auch noch! Alleine wäre ich daran gescheitert“, gibt Anna lachend zu, „was mir Hoffnung macht: dass es mehr und mehr Foodies gibt. Mehr Leute, die mehr ausprobieren. Und Essen nicht einfach nur als Zweck genutzt wird. Die Leute wollen wissen wo das Essen herkommt.“
Die Frage, ob sie überhaupt noch Dumplings sehen können, ist für Mauritz einfach zu beantworten: „Ja, klar! Welcher Koch hat den Luxus, jedes Mal was neues auszuprobieren? Wir haben jede Woche andere Dumplings, probieren sie alle durch und essen sie selbst am liebsten! Das ist natürlich auf der einen Seite die Herausforderung, auf der anderen Seite aber eine sehr große Bereicherung.“ Annas Lieblings-Dumping? Feta-Kimchi.
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03.08.2019
von Balázs Tarsoly
Wiener Str. 34, 10999 Berlin
Grünometer
DINGSDUMS DUMPLINGS
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